Sinn und Unsinn der Yoast SEO Lesbarkeit-Funktion
Es ist inzwischen vielen sicherlich schon aufgefallen, dass das Yoast SEO Tool seit Ende 2016 eine neue Funktion anbietet: die Lesbarkeit. Das scheint auf den ersten Blick recht vernünftig zu sein, denn niemand mag sich durch Textwüsten kämpfen. Auch Google findet unübersichtlichen Content nicht gut. Aber beim näheren Arbeiten mit dieser Funktion rauft man sich doch schnell die Haare. Darum haben wir uns hingesetzt und den Sinn und Unsinn der Lesbarkeit abgewogen und uns gefragt: Was taugt diese Funktion wirklich?
Inhaltsverzeichnis
Die Grundlagen – das macht die Yoast Lesbarkeit Funktion
Folgende Punkte analysiert das Tool: die Wort-, Satz– und Absatzlänge, die Anzahl an Wörtern zwischen zwei Überschriften, die Menge an Übergangswörtern und Phrasen, der Prozentsatz an indirekter Rede im Text und – daraus resultierend – den Wert des Flesch-Reading-Ease-Tests, also die letztendliche Lesbarkeit.
Was ist der Flesch-Reading-Ease-Test?
Dieser Test basiert auf einer Formel, welche von Rudolf Flesch erstellt wurde. Sie gibt einen numerischen Wert an, der die Lesabarkeit des Textes bewertet. Je höher der Wert, desto einfacher versteht man das Geschriebene. So ist ein Wert von 90-100 für 11-jährige Kinder leicht verständlich, 60 bis 70 ist für 13- bis 15-jährige Schüler verständlich und 0 bis 30 nur für Akademiker. Meist wird ein Wert von 60 bis 70 angestrebt.
Die Formel lautet:
FRE =206,835-(1,015 x ASL)-(84,6 x ASW)
Dabei bedeutet ASL die durchschnittliche Satzlänge (Average Sentence Length). Sie ergibt sich, indem die Anzahl der Wörter im Text durch die Anzahl der Sätze des Textes dividiert wird. ASW heißt die durchschnittliche Silbenanzahl pro Wort (Average Number of Syllables per Word) und ergibt sich, indem die Silbenanzahl des gesamten Textes durch die Anzahl der Wörter im Text dividiert wird.
Der FRE-Test ist jedoch immer sprachspezifisch. Für das Deutsche musste also eine andere Formel entwickelt werden. Toni Amstad erarbeitete diese. Die größte Hürde war dabei der Wortfaktor, denn deutsche Wörter sind im Schnitt länger als englische, während die Sätze etwa gleich lang sind. Seine Formel lautet:
FREdeutsch = 180 – ASL – (58,5 x ASW)
Was sind Übergangswörter und Phrasen?
Außerdem, auch, beispielsweise, bevor, dadurch, ehe, falls, genauso, immerhin, mit anderen Worten, obwohl, sowie, trotz, weil, zudem – das ist nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten. Eine recht umfangreiche Übersicht dazu gibt es hier. Mit “Übergangswörtern” sind also jegliche Wörter und Formulierungen gemeint, die eine Verbindung im Satz bzw. in einem Text erschaffen: Konjunktionen, Adverben, Präpositionen. Je mehr, desto besser.
Wieso indirekte Rede?
Hier liegt ein Übersetzungsfehler des Tools vor. Im Englischen Original wird deutlich, dass damit das Passiv gemeint ist. Somit empfiehlt das Tool prinzipiell, dass man das Passiv auf ein Minimum zurückschrauben sollte, da aktive Sätze einfach schneller und besser verstanden werden können.
Wort-, Satz- und Absatzlänge
Generell gilt: In der Kürze liegt die Würze. Ein Text sollte gemäß der SEO Funktion von Yoast ohnehin wenigstens 300 Wörter haben. Diese sollten sich zwischen zwei Überschriften befinden, jedoch mindestens geteilt in zwei Absätze. Denn ein Absatz sollte maximal 150 Wörter zählen.
Weiterhin wird auch die Satzlänge ausgewertet. Besteht ein Satz aus mehr als 20 Wörtern, wird er als schwer verständlich bewertet. Ähnlich verhält es sich mit der Wortlänge. Lange Worte werden als schwieriger eingestuft und sollen vermieden werden.
Die Problematik der Lesbarkeitsfunktion
Gehen wir der Reihe nach. Wer einen Blogbeitrag verfasst, achtet zunächst einmal darauf, dass er seine Botschaft niederschreibt. Struktur und Formulierungen kommen bei vielen erst im zweiten Schritt. Für eine erste Anregung, an welcher Stelle nachgebessert werden sollte, ist die Lesbarkeitsfunktion also wirklich prima geeignet. Denn natürlich stimmt es – ein ellenlanger Schachtelsatz ist schwerer verständlich. Und wenn der Content noch so interessant ist – was dem Leser unsagbar viel Mühe beim Lesen bereitet, wird er sich nicht antun. Die Absprungrate steigt.
Aber: Wie viel Schreibkunst sollte einem Algorithmus geopfert werden? Denn die Frage ist: Schreiben wir für unsere Leser? Oder für einen grünen Punkt in der Blogstatistik?
Problem Nr. 1: Die Länge ist nicht alles.
Fakt ist, dass das Deutsche einfach längere Wörter hat, als viele andere Sprachen auf der Welt. Das wird teilweise bei der Lesbarkeit schon berücksichtigt. Aber ist eine “Mobilitätsgarantie” wirklich schwerer zu verstehen als eine “Garantie der Mobilität”? Zumal durch solche Umformulierungen auch wieder die Länge der Sätze und Absätze erhöht wird.
Sicherlich muss irgendwo eine Grenze gezogen werden. Aber es ist doch trotzdem ungerecht, wenn ein Satz mit 21 Wörtern – mehr, als das empfohlene Mindestmaß – immer gleich schlecht bewertet wird – egal ob seine verwendeten Wörter wirklich echte Fachtermini oder einfach zu verstehen sind.
Problem Nr. 2: Kohärenz vs. Schwafeln mit Füllwörtern.
Man verstehe mich bitte nicht falsch! Ich persönlich bin ein großer Freund von Beschreibungen und den sogenannten Übergangswörtern. Aber jeder professionelle Schreiber wird in seiner Ausbildung gelernt haben, dass Füllwörter ein zweischneidiges Schwert sind. Hat man zu wenige, leidet der Text. Hat man zu viele – leidet der Text genauso!
Soll heißen: Ohne verbindende Wörter geht der Zusammenhang und die innere Logik des Textes unter Umständen verloren. Verwendet man sie aber zu viel, schliddert der Text in die Redundanz ab – ins wiederholende Schwafeln. Hier ist es also von größter Wichtigkeit, ein gutes Mittelmaß zu finden. Ein “Mehr ist besser” ist definitiv nicht immer die Lösung!
Zumal interessanter Weise wohl auch nicht jede deutsche Konjunktion, Präposition oder jedes Adverb als “Übergangswort” berücksichtigt wird. Verschiedene Blogger haben darüber berichtet, dass sie hier teilweise mehrfach nachbessern mussten, bis Yoast ein Wort als Phrase akzeptiert hat. Der Algorithmus greift somit deutlich in den Schreibstil des Autors ein.
Problem Nr. 3: Wer ist meine Zielgruppe?
Es soll ein Lesbarkeitsindex von 60 bis 70 erreicht werden. Doch übersetzt heißt das, dass ich für 13- bis 15-Jährige schreiben soll. Nicht in jeder Branche ist das sinnvoll. Wer einen Blog über Arbeitssicherheit führt oder über alternative Arzneimittel, hat sicherlich einen anderen Leser vor Augen.
Wichtig ist also immer, dass die Zielgruppe nicht vergessen wird. Denn auch wenn Texte mit kurzen Sätzen und einfachen Wörtern leicht verständlich sind – so sind sie deswegen in ihrer Wirkung nicht immer besser. Im Gegenteil: Viele Leser wenden sich bei Texten ab, die in besonders leichter Sprache verfasst sind – weil sie sie nicht ernst nehmen. Es wird ihr eigentliches Lese-Niveau deutlich unterschritten. Ist das wirklich erstrebenswert?
Fazit: Yoast Lesbarkeit – sinnvoll oder unsinnig?
Lesbarkeit ist ein wichtiger Faktor, der immer beim Erstellen eines Blogposts beachtet werden sollte. Denn guter Content, den keiner versteht, ist am Ende genauso zielführend wie schlechter Content. Darum ist für viele die Lesbarkeitsfunktion des Yoast Seo Tools sicherlich ein guter Anhaltspunkt, um ihre Texte zu verbessern.
Doch genau das ist und bleibt es momentan auch nur. Der Algorithmus dahinter hat noch so manche Kinderkrankheit, die bisher nicht – vielleicht auch nie – die ganz individuellen Bedürfnisse eines jeden Autors berücksichtigen kann. Somit gibt das Tool interessante Anstöße, an denen man feilen kann. Aber wenn nach einer Überarbeitung die Bewertung noch immer “schlecht” ausfällt, wird es Zeit, die PlugIns und Tools bei Seite zu schieben und dem eigenen Sprachgefühl zu vertrauen.
Und im Zweifelsfalle: Lassen Sie Ihre Texte von einem echten Menschen nochmals gegenlesen!
Quellen
www.blogger-base.net
www.wikipedia.org/wiki/Lesbarkeitsindex
www.wp-styles.de/funktioniert-yoast-seo-inhaltsanalyse-325/
www.wp-styles.de/deutsche-uebersetzung-yoast-seo-uebergangswoerter-78/
www.webworker-gui.de
www.ebblogs.com/blogging/
www.bernd-leitenberger.de/blog/
Vielen Dank für den Artikel.
Er zwingt zum Nachdenken und lässt fordert eine Änderung der Strategie ein.
Also in Zukunft nicht mehr nur sich an der grünen YOAST Ampel orientieren.
Wobei eine Rechtschreibprüfung und Bearbeitung des Textes durchaus sinnvoll
sein dürfte.
Auch von meiner Seite vielen Dank für den Artikel!
Ich finde es sehr lesenswert, dass hier auf die Denkanstöße irgendwo zwischen Schreibstil und Score eingegangen wird. Leider liefert Yoast nur einen Gesamtwert auf den vollen Text gerechnet. Dadurch ist es nicht ganz so leicht zu erkennen, welche Sätze speziell den Ausschlag in die Tiefe oder die Höhe geben. Ich persönlich sehe den Wert auch als Hilfe zur Orientierung und seziere meine Texte teilweise Satz für Satz. Hierfür gibt es auch nette Tools im Netz. Wenn der Score eines Satzes bei 50+ liegt, reicht mir das in der Regel. So kann man schon gute Texte verfassen, ohne dass der Nutzer vom Lesefluss wie für doof verkauft wird. Oft gelingen auch Sätze aus dem Stand heraus, die einen deutlich besseren Wert erzielen. Wenn man Texte anstrebt, die satzweise ein gewisses Niveau halten oder die Suchmaschine bedienen, erzielt man meiner Erfahrung nach eine gute Mitte.
Schöne Zusammenfassung zur YOAST Lesbarkeit-Funktion.
Auch meiner Meinung nach ist sie ist als Anregung sicher nützlich, um den Text noch einmal zu überprüfen.
In einigen Fällen würde eine Möglichkeit zur Abschaltung (z. Bsp. auf einen grauen Punkt) für bestimmte Artikel sinnvoll sein; insbesondere wenn Auflistungen vorkommen oder z. Bsp. Interview-Passagen enthalten sind, die gerne mal immer wechselnd mit … beginnen!
Hilfreicher Artikel als newbie. Seite ist in meinen Favoriten abgespeichert Dankeschön.
Naja, dem Wp-Blogger wird halt weiß gemacht, dass Yoast Seo das Nonplusultra ist. Ohne dieses Plugin kommen seine Beiträge nicht in die Google-Suche, zumindest nicht unter die oberen 3-5 Ergebnisse. Ich benutze es jetzt sein über einem Jahr, an meinem Ranking hat sich überhaupt nichts verbessert oder verschlechtert, jedenfalls nicht so, dass es ins Gewicht fallen würde.
Durch die https-Umstellung habe ich alle Fb-Shares verloren, dazu gibt es keinen Hinweis. Auf einer Seite war von einem Snipped die Rede, dass aber nicht funktioniert. Ein Blogger der darüber schrieb, gab mir den Tipp, es mal mit einem kostenpflichtigen Plugin zu versuchen. Die Plugins zerstören meine jahrelange Arbeit und ich muss 1. eine Wolf im Internet suchen, um mich schlau zu machen. 2. Soll ich für Totalschaden auch noch bezahlen.
Wenn ich dann so selbstgeschriebene Kommentare lese, von wegen, toller Artikel, für mich newbie, fühle ich mich von Nerds, nur noch verar…t.
Ich gebe dir absolut Recht. Meine Texte erhalten immer ein rot beim Punkt Leserfreundlichkeit: Ich soll kürzere Sätze machen. Und gleichzeitig bekomme ich beim Punkt Bindewörtern auch ein rot: Ich soll mehr Bindewörter benutzen. Das heißt ja auch längere Sätze… 🙂 Ich denke, Hausverstand hilft da eindeutig weiter.